ich wollte euch den „Jeannin Stahltaube (1914)“ Bausatz von Wingnut Wings näherbringen.
Der Bausatz
Maßstab 1:32
Anzahl Teile: 165
Die sehr ausführliche Bauanleitung beinhaltet 5 Hauptvarianten und weitere Untervarianten, die gebaut werden können. Unter anderem lässt sich auch die im Berliner Museum für Verkehr und Technik ausgestellte Variante exakt nachbauen, die entsprechenden Decals liegen bei, die speziellen Farbangaben sind vorhanden (sind anders als bei allen anderen bekannten Stahltauben).
Die Varianten unterscheiden sich im Wesentlichen durch die verwendeten Motoren, Propeller und Abgaskrümmer/Auspuffe.
2 Motoren können gebaut werden:
Entweder der Daimler Mercedes D.1 (100PS)
(Foto von der Wingnut Wings Seite)
oder der Argus As.II (120 PS).
4 verschiedene Luftschrauben sind dem Bausatz beigelegt.
Insgesamt verteilen sich die Bauteile auf 6 graue Spritzgussrahmen, 1 kleinen transparenten Spritzgussrahmen (für 1 Bauteil), 1 Decal-Bogen und ein Plättchen mit Photoätzteilen.
Hier der Daimler D.1
und hier der Argus AS.II
Decals
Die Flügel sind so präzise und hauchdünn hergestellt, dass sie an den richtigen Stellen sogar lichtdurchläsig sind:
Die Speichenräder gibt es entweder als Spritzgussvarianten oder können hochdetailliert aus Photoätzteilen gebaut werden.
Die beigelegte Bauanleitung ist aufgrund der Anzahl von möglichen Varianten durchaus sehr komplex, aber immer logisch, soweit ich es bis jetzt beurteilen kann. Hier ein Link, man kann sich die Bauanleitung natürlich auch direkt auf der Wingnut Wings Seite herunterladen: http://www.wingnutwings.com/ww/productd ... 3162&cat=4. Hier gibts natürlich auch noch jede Menge weiterer Bilder.
Ein paar Hintergrundinformationen zu Emil Jeannin und zur Geschichte der Stahltaube
Emil Jeannin wurde am 28.02.1875 in Mühhlhausen im Elsaß geboren. Nach einem Ingenieurstudium trat er als Gesellschafter der „Argus-Motoren-Gesellschaft mbH“ bei, die sein Bruder Henri 1906 in Berlin Reinickendorf gegründet hatte. Beide entwickelten immer bessere Motoren, zuerst für Motorbote und Automobile, später dann auch für Flugzeuge. 1909 kaufte Emil sich sein erstes Flugzeug in Frankreich, einen Farman-Doppeldecker, den er sogleich mit einem Argus Motor ausstattete. Das Fliegen brachte er sich selbst bei.
Noch im selben Jahr beteiligten sich die Brüder an der „Aviatik GmbH“ im Mühlhausen, die sich die Lizenz für den Nachbau der Farman-Doppeldecker erwarb. Argus lieferte die Motoren. Zuerst einen 50 PS Vierzylinder-Reihenmotor, dessen Leistung aber nach und nach auf 100 PS gesteigert wurde. Um 1912 war der Argus Motor der führende deutsche Flugzeugmotor.
Emil wurde bei Aviatik Chefpilot und gewann zahlreiche Preise. Disziplinen waren z.B: besonders lange in der Luft bleiben, weite Distanzen zurücklegen, schnellster Flug mit Passagier etc.
Er legte eine kometenhafte Laufbahn hin, erlangte Berühmtheit und sicherte sich viele sehr hohe Preisgelder. Er verdiente allein im Jahr 1910 über 100.000 Mark an Preisgelder. Zum Vergleich, ein Facharbeiter hatte zu dieser Zeit ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 2.000 Mark. Sein Geld investierte er zu großen Teilen in Frauen, Autos, noch mehr Frauen und natürlich auch in die Verbesserung seiner Flugzeuge.
1912 wurde die Firma „Emil Jeannin – Konstruktion von Flugmaschinen, Eindecker System Jeannin“ in Berlin Johannisthal gegründet. Verschiedene Flugzeugtypen wurden entwickelt / kopiert / verbessert.
Zu jener Zeit war die „Taube“ oder „Stahltaube“ beim preußischen Militär sehr beliebt. Entwickelt wurde diese von Igo Etrich, einem Österreicher. Gebaut wurde in den Rumpler-Werken in Berlin. Jeannin sprang auf den Zug auf. Noch im gleichen Jahr gründete er erneut eine Firma, die „Emil Jeannin Flugzeugbau GmbH“ und ließ im Handelsregister eintragen: „Gegenstand des Unternehmens ist der Bau und Vertrieb von Flugzeugen, insbesondere von Stahltauben“
Und ebenfalls im Jahr 1912 wurden die erste Jeannin Stahltauben gebaut.
- Spannweite 13,6m
- Länge 10,00m
- Tragfläche 36,00qm
- Leergewicht 600 kg
- Argus AS I Vierzylinder mit 100 PS oder AS II Sechszylinder mit 120 PS
Eine Bewaffnung war möglich. Typisch waren Sprengbomben zu 3.5kg, 5kg oder 10kg, außerdem 5 kg Brand- oder Nebelbomben. Aber auch Fliegerpfeile. Fliegerpfeile wogen zwischen 20g und 40g und konnten in Massen aus dem Flugzeug abgeworfen werden. Trefferquote etwa 1/2000, typischerweise nicht tödlich, also quasi wirkungslos.
Insgesamt wurden zwischen 80 und 100 Jeannin Stahltauben gebaut, bevor ihre Zeit zu Ende ging. Es gab inzwischen wirkungsvollere Kriegsflugzeuge. Der letzte Fronteinsatz fand 1915 statt, danach wurden die Maschinen höchstens für Aufklärungseinsätze genutzt.
Nach 1914 verliert sich jede Spur von Emil Jeannin. Inzwischen weiß man lediglich, dass er 1957 in Straßburg gestorben ist.
Lust auf mehr?
Die Infos habe ich weitestgehend diesem antiquarischen Buch entnommen (Marian Krzyzan/Holger Steinle: Die Jeannin Stahltaube A.180/114, ISBN 3813203131). Findet man bei ebay, teilweise zu Mondpreisen, ich hab meins aber für 6€ geschossen. Es dreht sich im Wesentlichen um die Restaurierung der letzten Stahltaube, welche in Berlin ausgestellt ist, rückt aber alles in den historischen Kontext und enthält viele tolle Fotos. Hier ein paar Beispiele:
Weitere Infos zu Jeannin und seinen Flugzeugen gibt es auch noch in der tollen Bauanleitung, die ich weiter oben bereits verlinkt hatte.
Und wenn ihr in Berlin seid, schaut euch das einzige erhaltene Exemplar im Museum für Verkehr und Technik an.
Vielen Dank fürs Lesen und
Grüße aus Berlin
Rafael