Vickers Vimy Transatlantic - Frog/Novo 1:72
Vor hundert Jahren - Erster Transatlantikflug
mit John Alcock und Arthur Whitten Brown
Den Atlantik zu überqueren, war in den frühen Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts mit vielen Risiken verbunden. Nicht nur, dass die Strecke viermal länger war, als alle bisher über Wasser geflogene Distanzen, sondern es waren insbesondere die Wetterbedingungen, die den Piloten zu schaffen machten. Stürmische Winde hinderten das Vorankommen, riesige Wolkengebirge erschwerten die Orientierung, und Vereisungen der Tragflächen auf der kürzesten, nördlich gelegenen Route bildeten eine ständige Gefahr abzustürzen. Rettung bei einer Notwasserung im eisigen Atlantik war kaum zu erwarten, da die Schifffahrtswege viel weiter südlich verliefen.
Als 1913 Lord Northcliffe als Besitzer des Daily Mail einen Preis über 10'000 Pfund für die erste Atlantiküberquerung ausschrieb, schien ein solcher Non-Stopp Flug über 3000 Kilometer noch kaum möglich. Der Krieg aber bewirkte eine ungeahnte Entwicklung der vormals zerbrechlichen Flugapparate. Stärkere und zuverlässigere Motoren trieben wendige Einsitzer und zweimotorige Grossflugzeuge mit schon beachtlicher Zuladung an.
John Alcocks Traum, über den Atlantik zu fliegen, schien in Griffnähe. Als erfahrener Bomberpilot aus dem Krieg zurückgekehrt, konnte er die Vickers Werke überzeugen, ihren schnellen Vimy Bomber in ein Langstreckenflugzeug mit Zusatztanks umzurüsten und für sein Vorhaben fit zu machen. Arthur Whitten Brown, ausgebildet als Ingenieur, im Krieg als Flugzeugbeobachter eingesetzt, wurde auf Grund seiner navigatorischen Kenntnisse, die er sich nach einem Absturz in der Kriegsgefangenschaft angeeignet hatte, als Navigator engagiert. Wie sich herausstellte, ein perfektes Team: Alcock 26, der kaltblütige Könner im Pilotencockpit und Braun 32, der versierte Pfadfinder mit Sextant und Berechnungstabellen und nicht minder mutig, wie sich im Verlaufe des Fluges zeigte.
Am 14. Juni 1919, kurz nach halb zwei, startet Alcock auf Neufundland die mit 3900 Litern Sprit beladene Vimy, die er mit knapper Not über die Baumwipfel am Ende der Startbahn hochziehen kann, zum 16-stündigen Transatlantikabenteuer.
Der Flug verlief alles andere als glatt. Kurz nach dem Start viel das Funkgerät aus, weil der Propeller des windgetriebenen Stromgenerators abgerissen war.
Brown berechnete den Kurs mit Sextant, Rechenschieber und nautischen Tabellen. War die Sicht schlecht, musste er sich auf die Koppelnavigation verlassen. Schwierig dabei war, die Abdrift durch auftretende Seitenwinde zu berechnen.
Kaum eine Stunde in der Luft, verglühte eines der Auspuffrohre des rechten Motors. Fortan waren Pilot und Navigator dem wie ein Maschinengewehr knatternden Motorenlärm ausgesetzt.
Nach acht Flugstunden hatten sie dank günstigem Rückenwind mit einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 170 km/h die Hälfte des Weges hinter sich.
Etwas später gegen 3 Uhr morgens gerieten sie in eine Wolkenbank, in der sie schnell jegliche Orientierung verloren. Die Maschine geriet ins Trudeln und verlor dramatisch an Höhe. Dreissig Meter über dem tosenden Atlantik durchstiessen sie den unteren Rand der Wolkendecke, fast auf dem Rücken fliegend. Dank seines fliegerischen Könnens brachte Alcock die Vimy knapp über den Wellen wieder in eine normale Fluglage und liess den Flugapparat auf 3300 Meter steigen. Regen und Schnee liessen jetzt aber Flügel und Benzinanzeige an einer Strebe hinter dem Cockpit vereisen. Mehrmals stieg Braun aus dem Sitz, um an Streben und Spanndrähten sich haltend das Eis abzuschlagen.
Dann viel der rechte Motor aus. Eis hatte die Luftzufuhr blockiert. Alcock ging tiefer in wärmere Luftschichten, startete den Motor, gab Gas und der Motor reagierte mit wohltuendem Gedröhn. Mit nur einem Motor wäre die Kiste nicht zu halten gewesen!
Eine halbe Stunde später erreichten sie die Küste Irlands. In der Nähe der Militärstation Clifden setzten sie auf einem vermeintlich freien Feld zur Landung an. Da es sich aber um ein Moor handelte, versanken die Räder bis zu den Achsen im Sumpf, und der Doppeldecker kippte vornüber. Alcock und Brown kamen mit dem Schrecken davon. Nach sechszehneinhalb Stunden hatten sie wieder festen Boden unter den Füssen.
Später, nach ihrer Ankunft in London überreichte Winston Churchill persönlich den Daily Mail Preis und König George V. erhob beide in den Adelsstand.
Tragischerweise starb John Alcock schon im Dezember 1919 beim Überführungsflug einer Vickers Viking zu einer Flugschau in Frankreich, als die Maschine beim nebligen Landeanflug einen Baumwipfel streifte und abstürzte. Sir Arthur Whitten Brown liess sich in Wales nieder und arbeitet als Ingenieur für die Vickers Werke. Er soll bis zu seinem Tode 1948 nie wieder geflogen sein.
Die Vickers Vimy wurde geborgen, restauriert und kann seither im Science Museum in London bewundert werden.
Für alle, die es nicht nach London schaffen, hier
Die Vimy Transatlantic als Modell
Das Modell wurde wie ihr reales Vorbild aus dem Bomberbausatz von Frog/Novo umgebaut. Obwohl der Bausatz schon ein beachtliches Alter aufweist (1964), ermöglicht er es mit ein paar Aufwertungen ein sehr stimmiges Modell zu bauen. Baubericht siehe unter viewtopic.php?f=51&p=61043#p61043
Gerne wür de ich die Vimy in einem Diorama, angeglichen an historische Fotos, vor dem Start darstellen, doch fehlen mir leider die entsprechenden Figuren in 1:72. Preiser hätte ein solches Set aus den Zwanziger Jahren (72510) und zwei geeignete zum Modifizieren (72512; 72 513), doch vertröstet die Firma Kaufinteressierte seit Jahren mit dem Hinweis, für eine Vorbestellung die Mailadresse zu hinterlassen. Bisher aber herrscht dazu eiserne Funkstille. Eine Auftankgruppe (von Zvezda), ein Mack Tanklastwagen (von RPM) und eine Cadillac Limousine Typ 57 (Scratch) ständen schon bereit.
Als Charles Lindberg acht Jahre später ein Nonstop Flug von New York nach Paris gelang und spektakulär gefeiert wurde, fiel die Pioniertat von Alcock und Braun leider immer mehr der Vergessenheit anheim.
Wenn schon Lindberg erwähnt wird, wollen wir doch den ersten Alleinflug von Amelia Earhart am 20. Mai 1932 in einer Lockheed Vega nicht vergessen. Als Frau in einer männerzentrierten Domäne und erster Mensch hatte sie damit den Atlantik zum zweiten Mal bezwungen, das erste Mal 1928 allerdings „nur“ – wie sie selbst erwähnt – "als mitfliegender Kartoffelsack" in einer dreimotorigen Fokker F VII.
Es sollte bis 1939 dauern, bis die PAN AM mit ihren Yankee Clippern einen regelmässigen Flugverkehr zwischen alter und neuer Welt einrichteten. Im Vergleich bot die Boeing 314 damals 74 Passagieren Platz, während ein Airbus A 380 heute bis zu 555 Sitzplätze anbieten kann.
Aus der Werft
Wilfred
Benutzte Quellen:
Karl Grieder, Atlantikflüge, Schweizerisches Jugendschriftwerk Nr. 1172, Zürich 1972
David Nevin, Die ersten Langstreckenflüge, Time Life Bücher, Amsterdam 1980
Valerie Moonman, Frauen in der Luft, Time Life Bücher, Amsterdam 1981
Verschiedene Beiträge auf Wikipedia, im Internet und in aktuellen Zeitungsartikeln
Zuletzt geändert von KaleuNW am Do 30. Sep 2021, 18:15, insgesamt 6-mal geändert.
Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.
Michel de Montaigne (1533 - 1592)
Kaleu’s Portfolio viewtopic.php?f=275&t=7639
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- Eukaryot98
- Beiträge: 2506
- Registriert: Di 8. Aug 2017, 23:33
Das gefällt mir sehr gut, habe als ich Frog gelesen habe, schon mit dem schlimmsten gerechent, aber das Modell sieht ja wirklich Top aus und die Exkurse in die Geschichte von dir gefallen mir immer wieder sehr gut. Du steckst da immer viel mühe rein
- Rafael Berlin
- Beiträge: 901
- Registriert: Do 9. Aug 2018, 19:20
- Wohnort: Berlin
Hallo Wilfred,
was hast du da wieder ein wunderschönes Modell gezaubert! Ich bin wirklich total begeistert!
Alleine das ganze Takelwerk in 1:72 ist schon ein Kunstwerk für sich. Was für eine Filigranarbeit.
Und das ganze auch noch mit den historischen Hintergründen so schön ausgearbeitet. Was ein toller Einstieg in die neue Woche. Vielen Dank!
Gruß Rafael
was hast du da wieder ein wunderschönes Modell gezaubert! Ich bin wirklich total begeistert!
Alleine das ganze Takelwerk in 1:72 ist schon ein Kunstwerk für sich. Was für eine Filigranarbeit.
Und das ganze auch noch mit den historischen Hintergründen so schön ausgearbeitet. Was ein toller Einstieg in die neue Woche. Vielen Dank!
Gruß Rafael
e ^ (i π) + 1 = 0
Hallo Wilfred,
Klasse Arbeit und
Richtig schön so etwas zu sehen.
MfG
Jan
Klasse Arbeit und
Richtig schön so etwas zu sehen.
MfG
Jan
Derzeitiges Projekt: Bf 110 G-4 in 1:48 von Revell.
Aus Prinzip, finden die Bemalungen meiner Modelle nur mit Pinsel statt.
Jan's Modellbau- Portfolio
Aus Prinzip, finden die Bemalungen meiner Modelle nur mit Pinsel statt.
Jan's Modellbau- Portfolio
Wer die FROG/NOVO Bausätze kennt, weiss, welche Leistung da dahinter steckt
Gruß, Eugen
Extra Bavariam nulla vita, et si vita, non est ita
Wenn nichts anderes angeben, liegt das Copyright meiner eingestellten Bilder bei mir. Verwendung nur mit meiner Erlaubnis.
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Wenn nichts anderes angeben, liegt das Copyright meiner eingestellten Bilder bei mir. Verwendung nur mit meiner Erlaubnis.
-
- Moderator (Revell)
- Beiträge: 5334
- Registriert: Mi 9. Apr 2014, 10:41
- Wohnort: SU
- Kontaktdaten:
Toll! Die Geschichte ebenso. Ich dachte mir schon, dass das wirklich Draufgänger waren. So etwas zu riskieren war unglaublich. Die beiden hatten richtig Glück.
- Oliver Bizer
- Beiträge: 2702
- Registriert: Mi 27. Jun 2012, 16:18
- Wohnort: Havixbeck
Danke für deine Mühe und Arbeit.
Dein Bericht und das Modell haben mich sehr gut unterhalten
Dein Bericht und das Modell haben mich sehr gut unterhalten
„Der Adler ist kein Stück Metall, der Adler ist Rom“
-
- Beiträge: 72
- Registriert: So 17. Feb 2019, 19:13
Hi,
das ist Großartig! Museums Qualität!
Vielen Dank auch für den ausführlichen Bericht über das schöne Flugzeug.
Liebe Grüße,
Linus
das ist Großartig! Museums Qualität!
Vielen Dank auch für den ausführlichen Bericht über das schöne Flugzeug.
Liebe Grüße,
Linus
LG
Linus
Im Bau: Corvette C5-R
747-200
A-10
Linus
Im Bau: Corvette C5-R
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- Miss_Blitz
- Beiträge: 559
- Registriert: Sa 13. Apr 2019, 20:39
- Wohnort: Oberösterreich
Hey Wilfred
Ein echt tolles Modell. Wunderschön gearbeited.
und die Takelung eine sehr filigrane arbeit aber spitzenmässig umgesetzt
wahnsinn!!!!
Ein echt tolles Modell. Wunderschön gearbeited.
und die Takelung eine sehr filigrane arbeit aber spitzenmässig umgesetzt
wahnsinn!!!!
- Nightquest1000
- Beiträge: 1845
- Registriert: Mi 10. Feb 2016, 13:14
Find ich auch. Haste gut gemacht. Schöne Arbeit.
Grüße
Tom
Grüße
Tom
Am Liebsten sind mir Menschen die mir reinen Wein einschenken. Oder Whisky. Whisky geht auch.
Making-of Vickers Vimy Transatlantic
@LXD
Meine Allerliebste wirft dann die Windmaschine (Haartrockner) an, richtet sie auf die Propeller, und ich muss dann nur noch den Auslöser des Fotoapparates betätigen. Als Einstellung wähle ich die maximal kleinste Blende (f 22.0) mit automatischer Belichtungszeit. Dadurch erhalte ich eine grosse Schärfentiefe (alles am Modell ist scharf) und die längere Belichtungszeit verwischt die Propellerdrehung. Damit die Angelegenheit nicht verwackelt, ist ein Stativ und eine Selbstauslösung unabdingbar. Ebenfalls muss die Plattform sehr stabil sein (kurzer oder verstärkter Stab), ansonsten das Modell im «Wind» zittert, was ein verwackeltes Bild ergeben würde.
Mit Fotoshop wird der Rundstab entfernt und, wenn nötig, noch der Hintergrund bearbeitet. In diesem Falle wurde aus dem Vierwaldstättersee der Himmel.
Mit Hals- und Beinbruch und immer einem Trick in der Fotokiste
Wilfred
PS: Die Flugfotos entstanden auf unserem Balkon im milden Licht eines späten Nachmittages, die lichtabgewandte Seite wurde mit einem Reflektor (kann ein weisser oder ein mit Alufolie beklebter A3 Karton sein) aufgehellt.
@LXD
Die Erklärung ist einfach: Bei Flugzeugmodellen achte ich darauf, dass die Propeller gut drehbar montiert sind. Auch baue ich auf der Unterseite jeweils ein bündig mit dem Rumpf verschliffenes Röhrchen ein, damit ich den Flieger stabil auf den Rundstab der Plattform stecken kann.Verrätst du, wie du den Effekt der rotierenden Luftschrauben gemacht hast?
Meine Allerliebste wirft dann die Windmaschine (Haartrockner) an, richtet sie auf die Propeller, und ich muss dann nur noch den Auslöser des Fotoapparates betätigen. Als Einstellung wähle ich die maximal kleinste Blende (f 22.0) mit automatischer Belichtungszeit. Dadurch erhalte ich eine grosse Schärfentiefe (alles am Modell ist scharf) und die längere Belichtungszeit verwischt die Propellerdrehung. Damit die Angelegenheit nicht verwackelt, ist ein Stativ und eine Selbstauslösung unabdingbar. Ebenfalls muss die Plattform sehr stabil sein (kurzer oder verstärkter Stab), ansonsten das Modell im «Wind» zittert, was ein verwackeltes Bild ergeben würde.
Mit Fotoshop wird der Rundstab entfernt und, wenn nötig, noch der Hintergrund bearbeitet. In diesem Falle wurde aus dem Vierwaldstättersee der Himmel.
Mit Hals- und Beinbruch und immer einem Trick in der Fotokiste
Wilfred
PS: Die Flugfotos entstanden auf unserem Balkon im milden Licht eines späten Nachmittages, die lichtabgewandte Seite wurde mit einem Reflektor (kann ein weisser oder ein mit Alufolie beklebter A3 Karton sein) aufgehellt.
Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.
Michel de Montaigne (1533 - 1592)
Kaleu’s Portfolio viewtopic.php?f=275&t=7639
Michel de Montaigne (1533 - 1592)
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- Fliegernarr
- Beiträge: 39
- Registriert: Sa 10. Feb 2024, 18:38
- Wohnort: Nordburgenland, AT
Das gefällt mir!
Ein sehr sauber gebautes Modell, trotz vermutlich miserablen Bausatz. Sehr schön fotografiert, gute Recherche übers Vorbild, und dann noch einen Blick in die eigene Trickkiste gewährt - da kann ich nur danke sagen bzw. schreiben.
Gruß
Hannes
Ein sehr sauber gebautes Modell, trotz vermutlich miserablen Bausatz. Sehr schön fotografiert, gute Recherche übers Vorbild, und dann noch einen Blick in die eigene Trickkiste gewährt - da kann ich nur danke sagen bzw. schreiben.
Gruß
Hannes
Servus!
Hannes, der Fliegernarr
Hannes, der Fliegernarr