Eine interessante Vorgeschichte
zur Entstehung der 'Pocket Battleships'
Gemäss den Waffenstillstandsverhandlungen, die den ersten Weltkrieg beendeten, musste die Deutsche Flotte in abgerüstetem Zustand in die Internierung nach Scapa Flow überführt werden. Als sich abzeichnete, dass die Schiffe an die ehemaligen Gegner ausgeliefert werden sollten, befahl der kommandierende Admiral Ludwig von Reuter die Selbstversenkung aller internierten Einheiten. Das bedeute das Ende der Hochseeflotte mit ihren Grosskampfschiffen.
Der Friedensvertrag von Versailles überliess dem Deutschen Reich nebst kleineren Einheiten insgesamt 8 Linienschiffe der Braunschweig- und Deutschlandklasse aus der Vor-Dreadnought-Zeit. Im Bewusstsein, dass diese Schiffe total veraltet waren, erlaubte man Ersatzbauten, die ein Tonnage von 10'000 Tonnen und ein Kaliber von 28 cm nicht überschreiten durften. Die Bestimmung bezweckte, langsame und standfeste Küstenmonitore mit schwerer Artillerie für den Einsatz in der Ostsee zu ermöglichen, sollte die jetzt neu gegründete Republik aber gleichzeitig mangels hochseetauglicher Einheiten von Einsätzen auf den Weltmeeren abhalten.
Auf Grund des technischen Fortschritts im Schiffsbau (Gewichtsersparnis dank geschweisster Rümpfe, leistungsstarke Dieselmotorantriebe mit grosser Reichweite) kristallisierte sich ein neuer Typ Panzerschiff heraus. Mit 10'000 Tonnen Verdrängung, der Bewaffnung mit einem Hauptkaliber von 28 cm in 2 Drillingstürmen, 8 – 15 cm Geschützen in Einzelaufstellung, 8 Torpedorohren und mit schwerer und leichter Flugabwehrbewaffnung, einer Geschwindigkeit von 28 Knoten und einem Fahrbereich von 20'000 Seemeilen war dieser Kampfschifftyp stärker als jedes schnellere und schneller als alle stärkeren Kriegsschiffe der damaligen Zeit, mit drei Ausnahmen: die britischen Schlachtkreuzer HOOD, REPULSE und RENOWN. Diese waren sowohl schneller als auch stärker bewaffnet (8 x 38 cm bzw. je 6 x 38 cm). Einziger Schwachpunkt der neuen Schiffskonstruktion war die schwache Panzerung, was ihre Standfestigkeit minderte.
Nach längeren, heftigen politischen Auseinandersetzungen – soll man das knapp vorhandene Geld eher sozialen Projekten oder der Marinerüstung zukommen lassen – wurde 1929 ein erstes Schiff als „Panzerschiff A – Ersatz Preussen“ die spätere DEUTSCHLAND (1939 umbenannt in LÜTZOW) auf Kiel gelegt. Es folgten 1931 die beiden Schwesterschiffe ADMIRAL SCHEER und 1932 ADMIRAL GRAF SPEE. Zwei weitere Panzerschiffe sollten folgen. Geplant und gebaut wurden dann auf Grund geänderter Flottenverträge zwei vergrösserte Einheiten, die Scharnhorstklasse.
Die neue Konstruktion ermöglichte den Einsatz sowohl als Küstenschutz in der Ostsee, als aber auch als Handelsstörer irgendwo auf den Ozeanen. Das löste eine ungeahnte Kettenreaktion von Neubauten in verschiedenen Marinen aus.
Grossbritannien, das seine vertraglichen Kapazitäten im Grosskampfschiffbau bereits ausgeschöpft hatte, ermutigte seinen einstigen Verbündeten Frankreich, seinerseits noch brachliegende Möglichkeiten auszunützen. Frankreich baute daraufhin die beiden Schlachtkreuzer DUNKERQUE (1932) und STRASBOURG (1934). Diese waren den deutschen Panzerschiffen an Kampfkraft (8 x 33 cm), Geschwindigkeit (29,5 Knoten) und Panzerung überlegen. Dies rief wiederum die Italiener auf den Plan, welche um ihre Vorherrschaft im Mittelmeer fürchteten. Die 1934 auf Kiel gelegten Schlachtschiffe LITTORIO und VITTORIO VENETO hatten eine Standardverdrängung von 35’000ts, liefen 30 Knoten und hatten als Hauptbewaffnung 9 – 38,1 cm Geschütze. Später folgten baugleich noch die ROMA und die nie vollendete IMPERO.
Der Bau von „Panzerschiff A“ löste also eine neue Welle von Schlachtschiffneubauten aus, obwohl sich bereits abzeichnete, dass der Flugzeugträger die neue Hauptwaffe auf See werden könnte, was sich im späteren Kriegsverlauf während zahlloser Seegefechte nachdrücklich und als schlachtenscheidend bestätigte.
Zum Modell
Airfix brachte 1971 das Modell der ADMIRAL GRAF SPEE im firmeneigenen Normmassstab 1:600 erstmals heraus. In Erinnerung an die 80 jährige Wiederkehr der Seeschlacht vor dem La Plata und an die Selbstversenkung ausserhalb des Hafens von Montevideo hat die Firma Airfix erfreulicherweise den alten Kit jetzt wieder neu aufgelegt.
Je nachdem, wer die Airfixschiffe modellierte, weisen diese sehr unterschiedliche Qualitäten auf. Beispielsweise weist die Bismarck grobe Vereinfachungen auf, die zwar durch hochwertige 3D Zutaten behoben werden können, die Bugsektion jedoch ist viel zu breit ausgefallen und nur schwer zu korrigieren. Dagegen gibt es Schiffsbausätze, die mit wenig Zutaten zu sehr ansprechenden Modellen gesupert werden können, beispielsweise die Passagierdampfer RMS MAUREATANIA, RMS QUEEN ELISABETH, S.S. France, Queen ELISABETH II , S.S. CANBERRA oder die PRINZ EUGEN, HMS KING GEORGE V., HMS REPULSE oder HMS BELFAST.
Die SPEE gehört knapp zu den besseren Bausätzen. Die folgenden Fotos zeigen das Modell, wie ich es vor bald 40 Jahren out-of-the-Box gebaut habe. Rumpf, Deck und Aufbauten sind stimmig, hingegen konnten die dicken Masten und einige Kleinteile schon damals nicht befriedigen, passende Ätzteile oder gar ein Holzdeck gab es noch kaum.
Die Boxart zeigt das Schiff als einsamen Raider und gefährlichen Handelsstörer.
Der Bausatz besteht aus rund 120 durchnummerierten und sauber gegossenen hellgrauen Einzelteilen. Einen Versatz habe ich nicht festgestellt, feine Gussnähte müssen jedoch oft versäubert werden.
Ein übersichtlicher Bauplan führt, in 10 Schritte aufgeteilt, zum fertigen Resultat. Der Rumpf ist als Vollrumpf ausgebildet. Leider fehlt, wie bei andern Modellen des Herstellers, eine Sollbruchstelle, wenn man auf Wasserlinie bauen möchte.
Ein vereinfachter Bemalungshinweis ist als Seiten- und Decksriss dargestellt. Ich zweifle allerdings an der Richtigkeit des Vorschlages, waren die Rümpfe im Friedensanstrich doch mit einem dunkleren und die Aufbauten mit einem helleren Grau gestrichen.
Bei Zweifeln aller Art, kann man heute auf eine umfangreiche Literatur und viel Bildmaterial zurückgreifen. Dies ermöglicht unter Zuhilfenahme der Angebote auf dem Aftermarket den Bau eines recht anspruchvollen Modells.
Nach wie vor spannend erzählt der Film „Panzerschiff Graf Spee“ (1956) die Geschichte des Schiffes und ihres Kapitäns, der in Montevideo vor einem schwerwiegenden Entscheid stand.
Zitat aus einer Filmkritik: „Die spannende und dramatische Geschichte des berühmten Panzerschiffes "Admiral Graf Spee" inszenierte das US-Regie-Duo Michael Powell, Emeric Pressburger als packendes aufwändig in Szene gesetztes Kriegsdrama. Mit durchweg guten Darstellern, die ihren Charaktern die nötige Tiefe verleihen (besonders Peter Finch in der Rolle des Kapitäns), in Szene gesetzt, beeindruckt das Werk mit eindrucksvollen Seeschlacht-Sequenzen und lässt die Dramatik der damaligen Ereignisse noch einmal Revue passieren.“
Wer die Geschichte als Tatsachenbericht nachlesen will, dem sei der dokumentarische Bericht „Panzerschiff Admiral Graf Spee“ von W. Rasenack, dem ehemaligen AOT Offizier der GRAF SPEE, empfohlen (antiquarisch im Internet erhältlich).
Ich werte den Bausatz als eine gute Basis, die mit diversen Zurüstteilen aus dem 3D Drucker, mit Ätzteilen (Reling) und Selbstgefertigtem (Masten, Takelage) je nach Gusto zu einem sehr ansprechenden Modell aufgerüstet werden kann.
Aus der Werft
Wilfred
Ätzteile
https://www.whiteensignmodels.com/c/160 ... dgQyS2brUI
http://www.tomsmodelworks.com/catalog/i ... Path=23_35
3D Drucke
Wenn man’s genau haben will, sind die Teile ihren Preis wert.
https://www.shapeways.com/marketplace/miniatures
Hinweis: Sich nicht von den Eingabemöglichkeiten beirren lassen: Ships – Military – WWII – Germany und den nicht aufgeführten Massstab 1:600 im Suchfeld eingeben.
Literatur- und Quellenverzeichnis:
Siegfried Breyer
Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905 – 1970
J. F. Lehmanns Verlag 1970
Brennecke / Micheaux
Der deutsche Schlachtschiffbau zwischen den Kriegen
Schiff und Zeit 2/1975
Koehlers Verlagsgesellschaft
Allgemeine Marine Illustrierte 2/1979, 1/1980, 2/1980
Rudolf Hermann
Die Panzerschiffe der Deutschlandklasse
Verlag Wolfgang Zeunert
Janusz Piekalkiewicz
Seekrieg 1939 – 1945
Südwest-Verlag, München 1980
F. W. Rasenack
Panzerschiff Admiral Graf Spee, Tatsachenbericht
Wilhelm Heyne Verlag, Taschenbuchausgabe 1982
Porter / Nimitz / Rohwer
Seemacht von der Antike bis zur Gegenwart
Manfred Pawlak Verlagsgesellschaft, Lizenzausgabe 1982
Von der Porten
Die deutsche Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg
Motorbuchverlag1986
Siegried Breyer
Panzerschiff „Admiral Graf Spee“
Marine Arsenal 8
Podzun Pallas Verlag 1989
Koop / Schmolke
Die Panzerschiffer der Deutschlandklasse
Bernhard & Graefe Verlag1993
Panzerschiff GRAF SPEE – Airfix 1:600
Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.
Michel de Montaigne (1533 - 1592)
Kaleu’s Portfolio viewtopic.php?f=275&t=7639
Michel de Montaigne (1533 - 1592)
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